Trauer verstehen

In meiner akuten Trauerzeit sind mir zwei Begriffe begegnet, die plötzlich überhaupt keinen Sinn mehr ergaben: Trauerarbeit und Loslassen.

Das Wort Trauerarbeit vermittelt den Eindruck, dass Trauernde etwas tun müssten. Genau das Gegenteil schien mir der Fall zu sein: es gab einfach nichts mehr zu tun; außer zu überleben. Atemzug für Atemzug, Schritt für Schritt, Stunde für Stunde. Daraus wurden dann wieder Tage, später Wochen und Monate. Tatsächliches „Tun Müssen“ liest sich für mich nicht erkennen.
Trauern bedeutet für mich nicht Arbeit, auch wenn es hart ist. Trauern ist für mich ein Prozess, der einfach anfängt, lange bleibt und dann immer mal wieder auftaucht. Er fängt weder freiwillig an, noch lässt er sich kündigen.
Trauer kommt einfach, bleibt und wird ein Teil des eigenen Lebens.

Loslassen klang für mich damals ebenfalls wie eine Aufforderung, dass ich etwas Bestimmtes tun müsste.
Und nur ganz nebenbei bemerkt, kommen diese Aufforderung von außen, also von nicht betroffenen Personen, die es vielleicht gut meinen, aber keine Autorität darüber haben,  wie Trauernde ihr Erleben und Bewältigen gestalten.
Das Wort „loslassen“ hat sofort Verlustängste bei mir ausgelöst. Er war mir doch trotz des Todes noch so präsent. Wieso sollte ich das auch noch aufgeben?

Heute sehe ich es sehr differenziert. Zum einen bezieht sich loslassen darauf, die unerledigten Dinge, die mich noch mit dem verstorbenen Menschen verstrickt sein lassen, aufzulösen. Das können Schuldgefühle, unausgesprochene Worte, zerbrochene Träume über die gemeinsame Zukunft und vieles mehr sein.
Zum anderen ist es wie ein Loslassen, dass man auch mit Kindern erlebt wenn sie erwachsen werden. Sie werden freigelassen in ihr eigenes Leben unabhängig von den Eltern. Sie werden ja von den Eltern nicht fallen gelassen. So ähnlich habe ich es bei verschiedenen Loslass-Übungen erlebt, wo ich ihn an einen Ort gegeben habe, an dem ich ihn jederzeit wieder finden kann.

Und was bleibt ist die Liebe und Verbundenheit.